Simbabwe und Monomotapa: Steinerne Zeugen der Größe

Simbabwe und Monomotapa: Steinerne Zeugen der Größe
Simbabwe und Monomotapa: Steinerne Zeugen der Größe
 
Die auf dem Staatsgebiet des modernen Staates Simbabwe in der Nähe der Stadt Masvingo gelegenen Ruinen einer städtischen Siedlung, die von 1250 bis etwa 1550 von zeitweise bis zu 18000 Menschen bewohnt war, gehören zu den großartigsten Bauwerken Afrikas. Ihr Name — Simbabwe — leitet sich aus der Shonasprache ab und bedeutet entweder »Häuser aus Stein« (dzimba dza mbabwe) oder »Häuser, Gräber von Oberhäuptern« (dzimba woye). Sie sind die am besten erhaltenen und räumlich ausgedehntesten — aber nicht die einzigen — steinernen Zeugen einer technisch wie politisch ausgereiften Kultur, deren materielle Überreste an mehr als 100 Plätzen im heutigen Simbabwe und in Moçambique gefunden wurden.
 
Groß-Simbabwe — so wird diese Siedlung in der Forschung genannt, um sie von den anderen Simbabwes zu unterscheiden — ist eine archäologische Fundgrube, deren reichhaltiges Material die Fragen der Geschichtswissenschaft allerdings nur begrenzt beantworten kann. Da keine schriftlichen und mündlichen Zeugnisse für das 13. bis 16. Jahrhundert existieren, können über die Hintergründe des Aufstiegs wie auch des Niedergangs dieser frühen Hauptstadt nur Vermutungen angestellt werden.
 
Über eine Fläche von 3 km2 erstrecken sich geschwungene Granitmauern aus behauenen Steinen, ohne Mörtel teilweise bis zu einer Höhe von zehn Metern und einer Dicke von mehr als fünf Metern am Fuß und drei Metern am oberen Ende aufgeschichtet. Die ältesten Bauteile, die bei Radiocarbonuntersuchungen auf 1250 bis 1300 n. Chr. datiert worden sind, befinden sich auf einem 80 m hohen Granitrücken, von europäischen Forschern »Akropolis« getauft, während die große Einfriedung im Tal vermutlich zwischen 1300 und 1400 errichtet worden ist. Diese elliptische Mauer von 255 m Umfang und von einem zweireihigen Zickzackfries aus schräg gestellten Steinen gekrönt, umschließt unter anderem den konischen Turm, dessen Nutzung bislang nicht geklärt ist, sowie mehrere kleine Einfriedungen, innerhalb derer sich wahrscheinlich die Anwesen der Führungsschicht befunden haben. Ungeklärt ist bis heute auch die Funktion der acht abstrakten Vogelskulpturen aus Speckstein, die auf in die Mauerkrone eingelassenen Säulen saßen.
 
 König Salomos Goldminen? — Groß-Simbabwe zwischen Mythos und Geschichte
 
Als der schwäbische Naturforscher Karl Mauch am 5. September 1871 als erster Europäer vor den Ruinen Groß-Simbabwes stand, war er sich sicher, das sagenhafte Goldland Ophir entdeckt zu haben, von dem die Bibel berichtet und dessen Erinnerung auch portugiesische Berichte des 16. und 17. Jahrhunderts wach hielten. Die Königin von Saba habe an dieser Stelle von phönikischen Baumeistern Palast und Tempel König Salomos nachahmen und von hier aus riesige Goldschätze nach Jerusalem schicken lassen. Simbabwe sei darüber hinaus auch der Heimatort eines der Heiligen Drei Könige. Die Zweifel, die Mauch kurz vor seinem Tod 1875 an seiner eigenen These äußerte, konnten die Verbreitung dieser Gründungslegende nicht mehr aufhalten.
 
Unter Cecil Rhodes, dem Eroberer und späteren Namensgeber der britischen Siedlungskolonie Rhodesien, verband sich der mystische Aspekt mit handfesten wirtschaftlichen Interessen: Ab 1891 wurden bei der vergeblichen Suche nach den vermeintlich reichen Goldvorkommen Groß-Simbabwe und zahlreiche weitere Simbabwes im Land systematisch geplündert und den Bauwerken dabei unwiederbringliche Schäden zugefügt.
 
Auch nachdem sachverständige Archäologen die Vorfahren des einheimischen bantusprachigen Volkes der Karanga eindeutig als Schöpfer Groß-Simbabwes identifiziert hatten, hielt die rhodesische Apartheidregierung den Mythos von der fremden Gründerkultur aufrecht, um ihre Kolonialherrschaft ideologisch zu rechtfertigen. Obwohl die haltlosen bis absurden Theorien im Nachhinein lächerlich anmuten, so haben sie doch lange Zeit vorurteilsfreie Forschung sehr erschwert. Nicht zuletzt wurde dadurch das Stellen ungleich wichtigerer Fragen nach den historischen Zusammenhängen der Stadtgründung und Reichsentwicklung hinausgezögert.
 
 Das Leben in Groß-Simbabwe
 
Die am südwestlichen Rand des Hochplateaus ausgegrabene, nahe dem Limpopofluss im heutigen Grenzgebiet der Republik Südafrika gelegene Stadt Mapungubwe war vermutlich die erste Hauptstadt Simbabwes. In diesem auf 1075 datierten und aus noch nicht geklärten Gründen um 1250 wieder verlassenen städtischen Zentrum wurden erstmalig Steinmauern errichtet. Darüber hinaus lassen sich hier bereits die wesentlichen Merkmale wirtschaftlichen Reichtums und politischer Macht finden, denen später auch Groß-Simbabwe seinen Aufstieg verdanken sollte: große Rinderherden, Gold- und Elfenbeinschmuck und aus Übersee importierte Luxusgüter, welche auf rege Handelsbeziehungen schließen lassen. Mit dem Rückgang dieses Handels — genauer mit der ab Beginn des 13. Jahrhunderts erstarkenden Konkurrenz Groß-Simbabwes — lässt sich möglicherweise auch der Niedergang Mapungubwes erklären.
 
Groß-Simbabwe geht auf eine Ackerbausiedlung des 11. und 12. Jahrhunderts zurück, die sich auf dem Hügel befand und deren Bewohner Sorghum- und Fingerhirse anbauten, Ziegen, Schafe und Rinder hielten. Da in der näheren Umgebung kaum Bodenschätze vorkommen, ist ebenso wie im Falle Mapungubwes davon auszugehen, dass der Rinderreichtum die Grundlage der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung war. Rinderherden verliehen ihrem Besitzer Macht und Ansehen: Mit ihnen ließen sich nicht nur Ehefrauen gewinnen (Brautgabe) und somit die Nachkommenschaft sichern, sondern auch loyale Gefolgsleute heranziehen, mit denen wiederum Beutezüge nach mehr Rindern und Gefolgsleuten beziehungsweise Tributpflichtigen unternommen werden konnten.
 
Große Rinderherden auf teilweise entfernten Plätze zu weiden, erforderte darüber hinaus zum einen die Einrichtung von Kontrollsystemen, die zu übergreifenden politischen und juristischen Prinzipien weiterentwickelt wurden. Zum anderen wird angenommen, dass die für die auswärtige Weidung zuständigen Männer zu den Arbeitskräften zählten, welche die Granitmauern Groß-Simbabwes errichteten.
 
Und nicht zuletzt stand Rindfleisch bei den etwa 300 Angehörigen der Führungsschicht Groß-Simbabwes ganz oben auf dem Speiseplan — neben Bier, wie sich aus der in ihren Anwesen gefundenen Töpferware schließen lässt. Mahlsteine, bauchige Töpfe und andere Küchenutensilien, die in den einfachen Wohnvierteln entdeckt wurden und die darauf hindeuten, dass sich der größte Teil der Bevölkerung überwiegend von Hirsegrütze und gelegentlich vom Fleisch von Schafen, Ziegen und Wild ernährt hat, sind hier kaum benutzt worden. Weitere Hinweise auf die soziale Schichtung der Bevölkerung geben die architektonischen Besonderheiten Groß-Simbabwes. Die große Einfriedung, bei der es sich nicht um eine Befestigungsanlage handelte, umschloss die Residenz des Oberhauptes, umgeben von den Wohnhäusern seiner Familie und jenen der Familien seiner Höflinge und Handwerker, sowie die Anwesen tributpflichtiger Provinzchefs. In ihrer privaten Sphäre durch ein ausgeklügeltes System kleinerer Granitmauern im Innern der Anwesen sozusagen doppelt abgeschirmt, lebte die Führungsschicht in geräumigen strohgedeckten Hütten aus Lehm und Flechtwerk, die in Farbtönen von hellem Ocker bis dunkelrot angemalt und mit Lehmreliefs aus Tiermotiven und abstrakten Mustern geschmückt waren. Die räumliche Distanz zum größten Teil der Bevölkerung, der außerhalb der Mauern in einfachen Lehmhütten das Tal besiedelte, und die importierten Luxusgüter, die ihnen zur Verfügung standen — buntes Glas aus Syrien, chinesisches Tafelporzellan und persische Fayencen —, verdeutlichen, dass Groß-Simbabwe ein hierarchisch organisierter Stadtstaat war, in dem eine kleine Elite über beträchtlichen Reichtum verfügte.
 
Der Handel mit den muslimischen Händlern, die von der Küstenstadt Sofala aus die Export- und Importgeschäfte lenkten, scheint indes sehr diskret abgewickelt worden zu sein: Groß-Simbabwe besaß weder einen Marktplatz noch breite Straßen und somit keine öffentlichen Ausstellungs- und Handelsplätze.
 
 Staatsbildung
 
Der Verkehr von Waren und Rohstoffen lässt erste Rückschlüsse auf den außenpolitischen Einflussbereich Groß-Simbabwes zu. So wurde Gold, noch vor Elfenbein das wichtigste Exportgut, im 200 km westlich gelegenen Matabeleland aus Minen und Flüssen gefördert. Auch die anderen Rohstoffe, die spezialisierte Handwerker in Groß-Simbabwe zu Gebrauchs- und Schmuckgegenständen verarbeiteten, stammten nachweislich aus anderen Gegenden: Speckstein (25 km entfernte Lagerstätten), Kupfer und Eisenerz aus Urungwe (500 km nördlich!) und Baumwolle aus dem Sambesiflusstal.
 
Nimmt man nun die zahlreichen kleinen Simbabwes im Umkreis von ungefähr 150 km hinzu, so lässt sich das System der politischen Herrschaft als Konföderation bezeichnen, die durch die Tributpflicht der regionalen Chefs gegenüber Groß-Simbabwe zusammengehalten wurde. Woraus die Dominanz Groß-Simbabwes und die Loyalität der regionalen Chefs sich letztendlich ableiteten, bleibt Gegenstand kontroverser Hypothesen. Einige regionale Oberhäupter waren vermutlich ausgesiedelte Angehörige der Elite Groß-Simbabwes oder durch Einheirat mit ihr verbunden, manche wurden vielleicht vom lukrativen Außenhandel angezogen, andere wiederum sind wahrscheinlich durch Beutezüge zu Vasallen der Hauptstadt geworden. Eine weitere Forschungshypothese betont die spirituelle Macht von Priestern und Medien, die mit dem Jenseits und den Vorfahren Kontakt aufnehmen, aber auch im praktischen Sinne eingreifen konnten, um z. B. Regen zu beschwören. Die Lösung liegt möglicherweise im Zusammenwirken aller erwähnten Faktoren, das heißt in der Schaffung eines Systems von Gratifikationen (Geschenke, Ämter, Prestige, spiritueller Beistand) und mehr oder minder großen Zwängen (Beutezüge, Handelsmonopol), mit dem es der Elite von Groß-Simbabwe im Verlauf von 300 Jahren gelungen ist, ihre Führungsansprüche nach innen und außen durchzusetzen.
 
Spätestens um 1550 wurde die Stadt verlassen. Obwohl sich die genauen Gründe nicht ermitteln lassen, ist leicht vorstellbar, dass das ökologische System einer rasch zunehmenden Bevölkerung nicht mehr gewachsen war: Ausgelaugte Böden, Überweidung, erschöpfte Brennholzvorräte sowie der (nachgewiesene) drastische Rückgang der Elefantenpopulation haben die Bevölkerung vermutlich zum Aufbruch gezwungen. Eventuell ist der Exodus — ähnlich wie in Mapungubwe — auf eine Verlagerung der Handelswege nach Norden zurückzuführen, wo mit dem Staat Mutapa ein Rivale Groß-Simbabwes heranwuchs, der es 1490 schließlich beerben sollte.
 
 Das Reich Monomotapa und die Portugiesen
 
Mündlichen Überlieferungen der Shona zufolge hat Mutota, ein Emigrant aus Groß-Simbabwe, auf der Suche nach Salz und Weidegründen zwischen 1425 und 1450 am Nordrand des Hochplateaus das Reich Mutapa gegründet. Obwohl Mutota wahrscheinlich ebenso der Legende angehört wie die riesenhafte Ausdehnung des Reiches, könnten sich durchaus Groß-Simbabwer unter den Gründern dieses einflussreichen Staates befunden haben, der bis 1550 die Küstenregion südlich des Sambesiflusses unter seine Kontrolle gebracht hatte und militärische Expansionszüge in südlicher und westlicher Richtung (Küste und Hochplateau) unternahm.
 
Im Unterschied zu Groß-Simbabwe ist das Mutapareichaufgrund mündlicher Überlieferungen der Shona und portugiesischer Schriftquellen (ab 1518) historisch dokumentiert. Portugiesen — zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Region angelandet — gaben ihm schließlich den Namen Monomotapa, abgeleitet aus den Shonaworten mwene (Herr), tapa (gefangen nehmen, plündern), mutapwa (Gefangener, Vasall), die zusammengesetzt mwenemutapwa (Herr über die im Krieg unterworfenen Vasallen) ergeben. Nomen est omen: Die Geschichte Monomotapas ist geprägt von militärischer Expansion, die aufgrund des Widerstandes der unterworfenen Gebiete in vielen Fällen nicht in eine dauerhafte politische Herrschaft einmündete. So spalteten sich im Zuge von Aufständen bis 1609 drei große Südprovinzen wieder ab und konstituierten sich als autonome Reiche.
 
Monomotapas wirtschaftliche und politische Entwicklung glich in vielerlei Hinsicht derjenigen Mapungubwes und Groß-Simbabwes, mit einer Ausnahme: Es baute nachweislich nicht in Stein. Landwirtschaft und Rinderhaltung waren die wirtschaftlichen Grundsäulen des Staates; der Export von Elfenbein und Gold sowie eine 15-prozentige Transitsteuer auf Gold anderer Herkunft, welches durch das Staatsgebiet an die Küste transportiert wurde, schufen die Voraussetzungen für seine Entfaltung.
 
Unter diesen Bedingungen waren die am Handel äußerst interessierten Portugiesen zunächst gern gesehene Gäste, deren Wirtschafts- und Machtgebaren Monomotapa in den folgenden einhundert Jahren jedoch bis in die Grundfesten erschüttern sollte. Vordringliches Handelsmotiv und Objekt der portugiesischen Begierde waren die Goldvorkommen. Durch eine militärische Intervention Portugals (1572) in die Knie gezwungen, gewährte der Herrscher Monomotapas den portugiesischen Kaufleuten weit reichende Handelsprivilegien: die Einrichtung mehrerer feiras, fest installierter großer Märkte mit Läden und Kirchen zur Missionierung der Bevölkerung und die Ernennung des »Kapitäns der Türen«, eines portugiesischen Handelsdelegierten, der die Oberaufsicht über den Handel zwischen Einheimischen und Fremden führte und der die dem Herrscher Monomotapas zuerkannten Steuern auf Importgüter sowie die von den Portugiesen zu entrichtende curva, den Tribut für ihr Recht, sich überall im Lande frei zu bewegen, eintrieb.
 
Ab Beginn des 17. Jahrhunderts spitzten sich die Verhältnisse in Monomotopa dramatisch zu. Konfrontiert mit schier unersättlichen Ansprüchen der Portugiesen, die sich fortgesetzt weigerten, die curva zu zahlen, gleichzeitig aber mehr und mehr auf sie angewiesen, um Aufstände der Provinzen niederzuschlagen, trat der mwenemutapwa 1607 zunächst sämtliche Minen an Portugal ab. Dennoch überzogen die Portugiesen das Land mit Krieg und ersetzten 1627 den amtierenden Herrscher Capranzine durch seinen gefügigeren Onkel Mavura. Der Vertrag vom 24. Mai 1629, in dem sich der mittlerweile katholisch getaufte Marionettenkönig zum Vasallen Portugals erklärte, besiegelte schließlich das Ende der staatlichen Souveränität Monomotapas.
 
Dr. Brigitte Reinwald
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
afrikanische Gesellschaften in der Geschichte: Aus dem Dunkel der Zeiten
 
 
Beach, David: The Shona and their neighbours. Oxford u. a. 1994.
 Förster, Till: Kunst in Afrika. Köln 1988.
 Garlake, Peter S.: Great Zimbabwe. Harare 1982.
 
General history of Africa, herausgegeben von der UNESCO. Band 3 und 4. London u. a. 1984-88.
 Randles, William G. L.: The empire of Monomotapa from the 15th to the 19th century. Aus dem Französischen. Gwelo u. a. 1981.
 Trimingham, John Spencer: A history of Islam in West Africa. Neudruck Oxford u. a. 1985.

Universal-Lexikon. 2012.

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